GEFESSELTE TRÄUME



Ich stehe gefesselt an einen Baum, irgendwo tief im Wald. Es ist still, nur das leise Rascheln der Blätter im Wind begleitet mich, und ich spüre die raue Rinde des Baumes an meinem Rücken. Jederzeit könnte sie kommen, meine Herrin, aber ein Teil von mir fragt sich auch, was wäre, wenn jemand anderes diesen Ort finden würde. Die Möglichkeit, so nackt und wehrlos entdeckt zu werden, bringt mein Herz ein wenig schneller zum Schlagen.

Der Gedanke, von einem Fremden so gesehen zu werden – nackt, unfrei, zur Schau gestellt – ist unheimlich und gleichzeitig berauschend. Ich stelle mir vor, wie neugierige Blicke über meinen Körper wandern, wie jemand fremd und doch unweigerlich in mein Spiel verstrickt wird.

Es ist das Ungewisse, die Möglichkeit einer Begegnung, die diesen Moment noch intensiver macht. Das Wissen, dass ich hier bin, sichtbar, berührbar, dass jeder, der vorbei kommt, Teil dieser Inszenierung werden könnte. Ich stelle mich gerne zur Schau, spüre den Reiz, die Aufmerksamkeit anderer auf mir ruhen zu wissen, und lasse mich in diesen Momenten vollkommen auf meine Rolle ein.

2022